Milchquote wird weiter erhöht
Brüssel - Europas Milchbauern dürfen ungeachtet der niedrigen Preise ihre Produktion ausweiten. Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) stieß mit ihrer Forderung nach einer Beibehaltung der Milchquote am Montag in Brüssel auf Widerstand.
Der EU-Ratsvorsitzende und schwedische Agrarminister Eskil Erlandsson wies die Forderung Deutschlands und Frankreichs zurück, die derzeitige Obergrenze für die Milchproduktion im kommenden Jahr nicht wie beschlossen um ein Prozent zu erhöhen.
Der EU-Kommission zufolge bleibt die Milchproduktion 2008/09 ohnehin um vier bis fünf Prozent unter der Quote. Ähnlich lautet die Prognose für 2009/2010, weswegen ein Einfrieren der Obergrenze keine Auswirkungen auf die Preise hätte.
Fischer Boel: Wirtschaftskrise ließ Nachfrage sinken
EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel stellte den Ministern ihre Analyse vor, wonach Bauern Preise von teilweise weniger als 20 Cent je Liter erhalten. Bauernvertreter fordern das Doppelte. Angesichts der Wirtschaftskrise ist die Nachfrage gesunken. Darüber hinaus gibt es starke Konkurrenz aus den USA oder Brasilien. Experten weisen darauf hin, dass langfristig mit einer global steigenden Nachfrage zu rechnen ist. Länder wie Neuseeland mit starken bäuerlichen Genossenschaften seien dafür besser aufgestellt. Speziell die deutschen Milchbauern haben mit höheren Kosten sowie einer starken Marktmacht der Handelsriesen wie Aldi zu kämpfen.
Aigner: Emfehlungen Fischer Boels 'unzureichend'
Aigner erhofft sich mit ihrer Initiative eine Signalwirkung an die Märkte. Zugleich rief sie die Bauern zum Handeln auf. "Die Landwirte könnten sich natürlich auch mehr an die Quotendisziplin halten", sagte sie. "Aber auch die (Bildung von) Erzeugergenossenschaften könnte man stärker forcieren, um ein Gegengewicht aufzubauen." Die Regierung würde dies "gerne unterstützen". In einem Brief mit ihren Amtskollegen aus sieben EU-Ländern, darunter Frankreich, Österreich und Griechenland, nannte Aigner die Empfehlungen Fischer Boels "unzureichend". "Sie verweisen im Wesentlichen auf Maßnahmen, die man national umsetzen kann. Das Problem ist auf europäischer Ebene entstanden und deshalb wollen wir europäische Lösungen." Neben einem Einfrieren der Quote zählten dazu ein höherer Interventionspreis sowie Beihilfen zur Verfütterung.
Erlandsson: Am Health Check nichts ändern
Erlandsson erwiderte, dass die EU-Staats- und Regierungschefs im Juni entschieden hätten, an der jüngsten Mini-Reform der EU-Agrarpolitik ("Gesundheitscheck") nichts zu ändern. Im November hatten die Agrarminister beschlossen, dass die Milchquote bis 2013 jährlich um ein Prozent erhöht wird und 2015 ganz abgeschafft wird. "Ich hoffe, dass wir den Gesundheitscheck so belassen können, wie wir ihn im November entschieden haben." Im Januar hat die Kommission bereits die umstrittenen Exporthilfen wieder einführt und tausende Tonnen Butter zur Lagerhaltung aufgekauft, um das Angebot zu verknappen ("Intervention"). Die Maßnahmen werden bis mindestens Februar 2010 fortgeführt.
Daneben gibt es für die Milchbauern eine Reihe weiterer Maßnahmen: So bekamen die Milchbauern im Zuge der Agrarreform 2003 Entschädigungen für einen vermuteten Preisverfall, der erst jetzt eingetreten ist. Allein die deutschen Milchbauern erhalten so jährlich eine Milliarde Euro zusätzlich. Außerdem bekommen die deutschen Milchbauern im Rahmen des EU-Konjunkturprogramms Fördergelder von etwa 90 Millionen Euro. Auch im Rahmen des "Health Checks" wurde ein deutscher Milchfonds eingeführt, der 2013 350 Millionen Euro umfassen könnte.
Brot für die Welt: 'Billiges Milchpulver bedroht lokale Milchmärkte'
Die Hilfsorganisation Brot für die Welt kritisierte die Ausfuhrhilfen scharf. Der Appetit auf Milchprodukte nehme weltweit und auch in Entwicklungsländern, die bislang kaum Milch verzehrt hätten, zu, teilte die Organisation heute in Brüssel mit. "Doch billiges Milchpulver aus Europa und den USA bedroht die lokalen Milchmärkte und die Existenz der Landwirte." Kampagnenleiterin Carolin Callenius betonte: "Wir fordern, dass Exportwaren nicht zu Dumping-Preisen angeboten werden dürfen, das heißt, so wie jetzt unter den wahren Entstehungskosten."
Brunner: Milchquote um mindestens fünf Prozent senken
Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) hat indes ein Einlenken der Europäischen Union bei der Milchpolitik gefordert. Die bisherigen Hilfsmaßnahmen für die Milchbauern seien völlig unzureichend, sagte Brunner am Sonntag in München. EU- Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel müsse endlich den Mut für neue Weichenstellungen aufbringen. Die anhaltende Milchkrise zeigt nach Auffassung Brunners, dass es nicht reicht, nur an der Absatzschraube zu drehen. "Brüssel muss das Übel an der Wurzel packen, die Milchmenge verringern und alle Möglichkeiten zur Überlieferung der Quoten ausschalten", verlangte Brunner laut Mitteilung. Er bekräftigte seine Forderung, die Milchquote um mindestens fünf Prozent zu senken und die bereits beschlossene Quotenerhöhung von jährlich einem Prozent auszusetzen. (dpa/pd)